Die spannende Geschichte meiner zwölfstündigen Zugreise möchte ich Euch nicht vorenthalten.

05 Uhr Noch ist es dunkel, als wir aufstehen. Wie jeden Morgen fahren wir in den „Jolly Miller“ (lustiger Müller) zum Cappuccino und zur obligaten Morgenzeitung. Nur, heute ist mein Abreisetag. Meine Familie verabschiedet mich am Zug in Melbourne. „Partir c’est toujours un peu mourir“, sagte meine Mutter.

9.30 Uhr Eine Stunde später ist die Landschaft australisch ländlich. Mittlerweilen ist es sonnig. Goldgelbe, abgegraste, trockene Weiden mit Pferden und Schafen, mit ausladenden Eukalyptusbäumen, deren in Fetzen herabhängenden Rinden ein schönes Farbenspiel in silbriggrau und Curry Tönen, die Country Farbpalette aufmischt. Es sind hohe, lichte Bäume die auf den Paddocks (Weiden) Schatten spenden auf sanften, weissgebrannten Hügeln. Wir hottern an Siedlungen und weitverstreuten Farmen vorbei.

12 Uhr Es ist Mittag und die sengende Sonne brennt erbarmungslos auf die ohnehin schon trockenen Felder. Rekordtemperaturen sind für heute angesagt. „Benalla“, „Wangaratta“ und bald treffen wir in Albury ein. Das Land ist flach und braun. Die Schienen der zweigleisig gebauten Strecke, führt entlang des Hume Highways, der zum Teil parallel laufenden Autobahn, und an Flüssen und Dams vorbei. Lichtdurchflutete Wälder säumen die Strecke. „Albury“ ist die Grenze von Victoria zu New South Wales, von Melbourne und Sydney, den rivalisierenden Metropolen. Hier wechselt die Zugmannschaft sowie die Bedienung im Buffet, denn wir wechseln ja den Staat. New South Wales und Victoria sind zwei der sechs Staaten. Ich war auf dieser Reise noch in Adelaide in South Australia, vor acht Jahren in Perth in West Australia, vor dreissig Jahren in Alice Springs in den Northern Territories, auch war ich auf der Insel Tasmanien, das ein eigener Staat ist und mit dem Schiff werden wir entlang der Küste von Queensland fahren.

13 Uhr „Waaga Waaga“, ist eine der vielen Provinz Ortschaft, in der wir halten. Farmen und Rinder, Bäume und Pferde. Noch trockener scheint die Erde, die Stoppelfelder noch kürzer, verbrannte Baumstämme zeugen von früheren Feuern. Das Thermometer steigt, aber nicht in unserem eher kühlen Wagenabteil. Immer wieder sieht man tote aufgeblähte Rinder auf den kargen Feldern. Die Pferde sind dünn, die wenigen Wasserlöcher ausgetrocknet. Ich empfinde das gleissende Licht feindlich und bedrohlich.

16 Uhr Jass Junction. Die Reisestrecke führt im grossen Bogen nördlich durch das Landesinnere um Canberra, der Hauptstadt von Australien herum und nicht wie erwartet der Küste entlang. Somit vermeidet der Zug die Berggebiete, die immerhin Berge von über 2000 Metern haben und im Winter auch zum Skifahren einladen.

17 Uhr Goulburn Noch bleiben mir drei Stunden. Die Zeit vergeht schnell, ich lese sehr viel, schaue die Landschaft an und lasse mich treiben im Gefühl des Unterwegs-seins. Die Aussenwelt hat sich nicht gross verändert, obwohl es wieder buschiger ist und die Eukalytus Bäume grösser sind. Ihre Rinde leuchtet silbern im grellen Sonnenlicht, ein theatralischer Kontast zu den schwarzen Wolken im Hintergrund. Meinem Ohrendruck nach zu urteilen, sind wir auch höher gestiegen. Dicke Gewitterwolken bilden sich am Horizont. Der weite Himmel ist aufregend und sieht bedrohlich aus. Wir nähern uns den grösseren Städten. Jetzt freue mich auf das Ende der Reise, die Ankunft in Sydney.
Die Wolken haben sich verzogen und die Nacht bricht herein. Wieder ändert sich die Aussicht. Verbrannte Bäume säumen die Gleise. Im Oktober haben Feuer rund um die Blue Mountains gewütet. Während die Bewohner ihre Existenzen erst wieder aufbauen müssen, hat das Feuer den Wald gelichtet und Neues zum Wachsen gebracht. Man sieht heute jungen Pflanzen-Flaum am Boden und an den Stämmen spriessen. Erstaunlich sei, lese ich, dass überall einheimische Flora nachwächst, die in den dichten Wäldern erstickt wurde. Die Samenbank schlummert bis zu fünfzehn Jahre im Erdreich, auf die Keimung wartend. Das ist das Besondere an der Australischen Natur. Sie braucht die Feuer. In den verkohlten Stämmen, entstehen neue Höhlen und Nistplätze für Vögel und andere Tiere. Betrachtet man das ganze Bild, so ist dies das Positive.
19 Uhr Ich bin seit fast zwölf Stunden unterwegs. Ich bin müde. Mein Rücken juckt, es fehlt mir die Bewegung. Meine Lust am Zugfahren ist gesättigt. Auch haben wir dreiviertel Stunden Verspätung, weil bei Temperaturen über 40 Grad, die Züge aus Sicherheitsgründen mit gedrosselter Geschwindigkeit fahren.
19.30 Uhr Noch eine Stunde bis Sydney. Die Sonne ist am Untergehen.
20.30 Uhr Es ist Nacht. Ein langer Tag geht zu Ende. Langsam fahren wir der Stadt entgegen. Und plötzlich sind wir da. Glücklich und müde.
dägä-dägänn, dägä-dägänn, dägä-dägänn……
12 Stunden lang im Zug, das ist auch in Australien hart. Gönn Dir nun die Ruhe und Entspannung. dägänn-dägädägänn
LG Marcel
Lieber Marcel
Fährt man in anderen Ländern, so schätzt man unsere SBB Bahn für ihren Komfort, für die schnellen Strecken und die Pünktlichkeit, obwohl wir uns ja immer wieder beschweren.
Das Gewackel und Dägä-dägann, wie Du schreibst war zeitweise recht heftig. Aber es hat sich richtig nach Zug angefühlt. LG Verena