

Auf der Fahrt von Queenstown nach Wanaka sass meine Schwester sehr schweigsam neben mir. Sie hatte eine üble Nacht erlebt als Folge einer Lebensmittelvergiftung in einem Sterne Restaurant in Queenstown. Mir ging es gut und so machte mir die Strasse nach Wanaka nichts aus.
Der steile, haarnadelkurvige Pass entblösste fortlaufend wunderschöne Ausblicke auf die verschiedenen Bergseen, die «Pelz»berge, auf Landwirtschaft und kleine Ortschaften.

Die Hotelanlage lag direkt am Wanaka See. Unser traumhaft luftiges Zimmer ragte ebenerdig in den gepflegten Garten hinaus. Viel Glas und bequeme Sofas boten das beste Ruhebett für Barbara. Ich ass ein gutes Nachtessen mit Wein und schlief danach tief und fest.


Leider mussten wir den tollen Ort Wanaka bereits am nächsten Tag verlassen. Die Strasse führte uns durch spannende Landschaften dem Lake Hakea entlang in die Alpinen Berge mit Gletschern, vielen Bächen, Wasserfällen und gemässigtem Regenwald. «Als „Regenwald“ bezeichnet man ein weitgehend naturbelassenes Waldökosystem, das durch ein besonders feuchtes Klima gekennzeichnet ist (mittlere Jahresniederschläge von in der Regel über 2.000 mm.»
Es regnete der Vegetation entsprechend ununterbrochen. Wir fuhren durch Orte, die 5000mm!! Regen verkraften müssen. Anfangs waren wir fasziniert, aber mit der Zeit war es drückend, beklemmend und auch weit. Berge rauf und runter, durch unendliche Farnwälder mit hohen Farnbäumen, dichten undurchdringlichen, saftig grünen Sträuchern und Bäumen. Die Fahrt war trotz hervorragender Strassen anstrengend. Der Regen nahm zu, es goss aus Kübeln und irgendwie spürte ich die Bedrängnis dieser einvernehmenden Landschaft. Der Wald umklammerte uns. Wir fühlten uns eingesperrt. Es ist sehr seltsam, dass alpine Berge, deren Spitzen allerdings in den Nebeln gefangen waren, von Regenwald bewachsen sind. Unerwartet jedenfalls für uns.




Nach fünf Stunden sehnten wir uns nach eine gemütlichen Lodge mit Kaminfeuer. Franz Josef war unser Nachtlager. Anderntags sollten wir eine kleine Wanderung zum Franz Josef Gletscher machen. Es kam etwas anders. Die Wanderung war abgesagt und unsere Lodge war eine bessere Wellblech-hütte. Die Betten waren schmal, hart und alles einfach schrecklich. Grau, nass, kalt. Alles hätte anders gewirkt, wenn wir bei strahlendem Bergwetter die tausend Wasserfälle, Schluchten mit Türkis Becken und vor allem die Alpen hätten sehen können. Franz Josef gilt laut Internet als ein gastfreundlicher Ort und als absolutes Wander- und Naturparadies mit einem riesigen Gletscher. Unser Pech eben, dass alles immer im Nebel vor uns versteckt blieb.



Unser nächster Halt nach einer weiteren anstrengenden Fahrt mit sintflutartigem Regen endete in Hokitika direkt am grauen Ozean. Tasman Sea. Das Hotelzimmer war erholsam mit Blick auf den felsigen Strand mit hunderten von angeschwemmten, knorrigen Baumstämmen. Anlässlich eines Sommerfestivals gestalteten die Bewohner daraus die kreativsten und lustigsten Skulpturen.
Unterwegs hatten wir zahlreiche mäandernde Flüsse mit beidseitig sehr breiten Sand -und Kiesbänken auf schmalen, einspurigen Brücken überquert. Bestimmt würden sie bei Regen und Schneeschmelze zu wütenden Strömen, die alles mitreissen und ins Meer hinausschleudern.

Unser Trost fürs miserable Wetter war: 1. Nun wissen wir aus gelebter Erfahrung warum Regenwald so heisst, 2. Am nächsten Tag würde eine der faszinierendsten Zugreisen auf uns warten und 3. Würde es sonnig und 29 Grad in Christchurch sein. So gaben wir unseren treuen, aber lahmen Mitsubishi freudig in Greymouth zurück. Auch dies im strömenden Regen wohl bemerkt.

Liebe Frau Verena Prager,
jedes Mal, wenn ich eine Nachricht von Ihnen in meinem Postfach entdecke , freue ich mich auf Ihre herrlichen Reiseberichte. Das ist immer ein kleiner Urlaub für mich.
Zum Thema ‚Regenwald‘. Ich war einmal im September auf Cuba. Und natürlich Regenzeit. Unser Reiseleiter hatte dazu folgenden Kommentar: …ich verstehe die Touristen nicht, die während der Regenzeit anreisen …
Aber ich denke, das solche Erlebnisse einfach zum Reisen dazugehören. Und ich meine, das ’nur schöne Urlaubstage‘ nicht so lange im Gedächtnis bleiben.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Schwester noch eine gute Zeit, und freue mich schon auf Ihren nächsten Bericht.
Viele liebe Grüße aus Blaubeuren (D) Ihr
achim lehmann