Klein Peppina unterwegs in die Stadt

Klein Peppina unterwegs in die Stadt

Geschrieben vor 2 Monaten: „Schon wieder dieses Gezwitscher vor dem Fenster! Ich spitze die Ohren. Kaum wird es hell, ruft es mich zum Spiel. Mein Hundebett ist kuschelig, aber jetzt will ich raus. Alles ist noch ruhig im Haus. Wann kommt sie endlich runter?

„Sie, ja, das ist meine neue Mami. Wenn sie die Treppe runterkommt und Peppina ruft, dann beginnt mein Welpentag. Ich wackle mit dem Hintern und sie quietscht vor Vergnügen. Ich mag es, wenn sie mit heller Stimme Peppina flötet. Peppina, das bin ich. Glaube ich. Wenn meine neue Mami piepst, schau ich rauf und schon beugt sie sich zu mir runter. Ich würde zwar lieber rauf springen, aber das darf ich nicht. Oje, da warte ich halt bis sie runterkommt und dann schleck ich erstmals alles ab, was nahe genug ist. Salzig, süss einfach wunderbar. Sie krault, streichelt und wuschelt in meinem weichen Pelz herum. Sie kitzelt mich, bis ich auf dem Rücken liege und mit den Pfoten zapple.“

Nachdem Peppina gefüttert und ihre Geschäfte erledigt hat, brechen wir auf zum kleinen Stadtspaziergang. Dass es dabei eigentlich um mein Morgen-Cappuccino Ritual geht, verheimliche ich. Stattdessen verpacke ich alles ins Thema Stadtgeräusche-Training. Das kleine Städtchen Schaffhausen ist sehr übersichtlich, meist unaufgeregt und schnell erreichbar. Wir fahren mit dem Auto hinter den Bahnhof. Hier beginnt alles: Heckklappe auf und rausschauen.

Peppina setzt sich und betrachtet erst mich, dann das unmittelbare Umfeld. Nach einer Weile hebe ich sie sorgsam hinaus. Meine Augen schauen mit Sicht eines Welpen, meine Ohren hören mit Peppinas Lauschern. Einzig meinen Geruchsinn überlass ich lieber ihrem Erleben.

Wir bewegen uns langsam, ohne Hast. Am stark befahrenen Kreisel kauere ich zu Peppina und nehme sie zwischen meine Beine. Grosse, laute Räder brausen vorbei, Fahrräder gleiten nahe am Randstein. Kinder gehen über den Zebrastreifen und schon bremst der grosse Lastwagen. Ich winke ihn durch und folge mit meinen Augen denen von Peppina. Unglaublich welche Eindrücke in Sekundenschnelle an ihr vorüber rauschen. Sie sitzt aufmerksam da und beobachtet aus meinen Armen heraus. Nicht ängstlich, aber auch nicht freudig. Eher neugierig. Behutsam gehen wir weiter. Sitzt man eine Weile auf Hundehöhe neben einer Strasse, weil man hören und sehen möchte was der Welpe erlebt, so dringen die unglaublichsten Geräusche ungefiltert auf einen ein. Wir Menschen können sie sortieren, überhören und identifizieren. Peppina ist überwältigt. Nach einer kleinen Weile erreichen wir, das ihr von einem früheren Besuch her bekannten Café. Spürt sie meine Vorfreude? Auf jeden Fall hüpft sie freudig durch die Schiebetüre auf die Teppichstufe vor das Buffet. Entspannt macht sie gleich Platz. «Das kenn ich», scheint sie erleichtert zu sagen. Einzig das Pfeifen der Milchschäumerdüse lässt ihr Ohr nach hinten wippen. Ich nehme meinen Cappucino und führe den Hund zu einem leeren Strassentisch. Sie setzt sich, als ob das schon eingeübt wäre. Aus meiner Handtasche kommt der kleine Futterbeutel mit einer schönen Portion Frühstück zu ihr runter und danach ein Kauknochen. Es beruhigt. Wir sitzen lange und wir warten. Primarschülern auf der Schulerreise springen vorbei. Sie bleibt sitzen unter meinem Stuhl, geborgen. Ein Kleinlaster fährt vorbei, die ältere Dame bleibt zum Gespräch stehen. Und dann kommt unverhofft ein Mann mit Maske und Telefon und präsentiert mir überglücklich ein Foto seines jungen Golden Retrievers. Peppina scheut weder vor dem dunklen Mann in Maske noch von der plötzlichen Nähe. Duften seine Schuhe nach Hund, nach Kindern und Leckerli? Gut möglich. 

Der kurze Rückweg zum Auto ist bereits bekannt. Plötzlich bleibt sie stehen, ist verwirrt, geht näher ans Schaufenster, springt belustigt zurück und schleicht sich wieder ran. Wer ist denn da? Ein Hund blickt ihr entgegen, springt zurück und kommt wieder an die Scheibe. Wer weiss, ob sie die Täuschung ahnt. Wir betrachten lange die Tauben. Sie tänzeln ihr um die Nase. Ohne Leine wäre Peppina in ihrem Element. Jagen, fangen, bringen. Es ist schön, ihre Wachsamkeit zu erleben. Sie sprüht vor Freude. Plötzlich löst eine ohrenbetäubende Sirene hinter der Mauer Unbehagen aus. Langsam hebe ich Peppina hoch und gemeinsam verfolgen wir den Krankenwagen. Ein erlösendes Geschäft auf der Wiese und danach gehts ab ins Auto. Heckklappe zu und weg ist die gefährlich Welt da draussen.

Heute habe ich mir als Ziel gesetzt, die Welt mit Welpenaugen und -ohren zu erfassen. Ich will auf Peppinas Eindrücke verstehen. notfalls brechen wir den Spaziergang ab. Es ist das Abwägen zwischen Fördern und Überfordern. Auch sei mir verziehen, dass ich den beim Golden Retriever überaus wichtigen Geruchssinn ausgelassen habe. All die Markierungen, unappetitlichen Pfützen und den weggeworfenen Abfall will ich nicht so genau analysieren. Es bleibt das Bewusstsein, dass eine riesige dem Hund eigenen Sinneswelt für uns Menschen verborgen bleibt. 

11 Gedanken zu „Klein Peppina unterwegs in die Stadt

  • Juli 13, 2021 um 3:46 pm Uhr
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    Liebe Frau Verena Prager,
    vielen Dank für die Beschreibung, einen jungen Hund an die doch etwas andere Menschen Welt zu gewöhnen. Und besonders die Idee, die Welt aus Peppina’s Sicht zu sehen. Wunderschön.
    Liebe Grüße, auch an Peppina,
    achim lehmann

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  • Juli 13, 2021 um 6:47 pm Uhr
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    Gut machst du das und toll, wie das Peppina Mäuschen in diese spannende, unheimliche, aber dennoch erforschenswerte Umwelt eintauchen darf, geschützt, beschützt und nicht alleingelassen.
    Was für ein Glück, Peppina, dass du bei Verena landen durftest.
    Ich wünsche euch viele gemeinsame Abenteuer – herzlichst die erste Mami aus Tirol … und ich freue mich schon sehr auf ein Wiedersehen, gern auch am Fuß des Walderkamm, ein Bergrücken des Tiroler Karwendel!
    Brigitte

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    • Juli 13, 2021 um 6:48 pm Uhr
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      Ich freue mich sehr darauf, euch zu besuchen.

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  • Juli 14, 2021 um 10:47 am Uhr
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    Genau so erlebe ich das Team Peppina und Verena. Ja, und das Team stimmt – es ist schön zuzuschauen, wie «Klein-Peppina» vom Welpen zum Junghund sich super entwickelt und täglich viel neues lernt. Sie versteht sich auch prächtig mit unseren beiden alten Goldis «Chili 13» und «Artis 11.5».

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  • Juli 14, 2021 um 12:03 pm Uhr
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    In meiner «Zürcher Zeit» habe ich teilgenommen an einem Fotowettbewerb «Zürich vom Dackel aus gesehen». Ich nahm das Thema sehr wörtlich, um es fotografisch umzusetzen und erlebte dabei die Stadt Zürich wie Peppina die Stadt Schaffhausen aus einer mir bis dahin völlig unbekannten Perspektive. Es war so, wie es Verena sehr trefflich und anschaulich beschreibt. Dieser Fotowettbewerb half mir, um mich später in unsere eigenen Hunde «hineindenken» zu können.

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    • Juli 14, 2021 um 1:28 pm Uhr
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      Das mit den Fotos habe ich nicht so genau geschafft. Das wäre mir wohl zu bodennah gewesen.

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      • Juli 14, 2021 um 3:22 pm Uhr
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        Na ja, Verena – ich hatte damals eine Mittelformatkamera mit Schachtsucher und konnte das Bild «von-oben-hinab» komponieren. 😉

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  • Juli 15, 2021 um 11:58 am Uhr
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    Ja das mit dem Bodennahfotografieren ist so eine Sache …. sieht in der Stadt, in bewohnten und stark frequentierten Plätzen eher blöd aus, wenn man nachher wieder versucht, auf die Beine zu kommen …. könnte sein, dass jemand den Rettungsdienst verständigt oder einen Kran anfordert … 😉

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    • Juli 15, 2021 um 2:51 pm Uhr
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      Ganz so «schlimm» war es damals noch nicht, aber Du hast Recht, Brigitte, ich hörte tatsächlich den einen und anderen «speziellen Kommentar» während ich fotografierte. 😉

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      • Juli 15, 2021 um 6:10 pm Uhr
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        … ich habe da eigentlich von mir selber geredet … und von meinem alterbedingten Problem einer gewissen Ungelenkigkeit 😀

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