Mit Peppina durch den Sommer

Mit Peppina durch den Sommer

Ist der Sommer schwierig, anstrengend, dramatisch oder einfach unüblich und unberechenbar? Auf jeden Fall stürzt er uns in ein gewaltiges Wechselbad an Emotionen. Waren wir anfangs enttäuscht über die Kälte, jammerten über die vielen dunklen Tage, so freuten wir uns später darüber, dass wir nicht wässern mussten. Zwischendurch hatten wir Angst vor den gewaltigen Gewittern und waren entsetzt über die Wasserfluten.

Gerade heute erleben wir Hochsommer mit dem ersten Hitzetag. Der Garten ist einmalig bunt, so grün, blütenreich und einfach voller Leben. Auch wenn meines noch auf der Bremsspur verläuft. Nicht nur Corona hält mich vom Reisen ab, sondern auch Peppina, mit der ich noch gerne im vertrauten Umfeld unterwegs bin. Zwar vermisse ich den Anblick des Meeres und die Geräusche der Brandung, aber ansonsten ist mein persönlicher Sommer ein guter. Ein paar Notizen und Fotos der letzten Wochen:

Mitte Juli. Erneut erwachen wir aus einer schrecklichen Sturmnacht. Nur dieses Mal schlug das Gewitter auch mitten in Zürich zu. Tram und Buslinien waren stundenlang unterbrochen. Der Garten meiner Freundin glich einer Müllhalde. Kein Tag verging ohne Schäden im Wald und Überschwemmungen auf den Feldern. Waldspaziergänge glichen Hindernisläufen. Kreuz und quer liegende Bäume versperrten die Wege, tiefe Wasserrinnen zerfurchten die eben sorgfältig aufgebesserten Spazierwege. Peppina kümmerte es wenig, denn Wasser und Schlamm sind ihre Elemente.

Ende Juli. Sie ist nun ein zahnender, etwas rebellischer Junghund, der mich ordentlich auf Trab hält. Peppinas Beine sind zu lang und schlaksig, die Ohren überlappen sich und die Schnauze ist noch kurz. Im Mund purzeln Zähne blutig heraus, dafür stossen weisse Spitzen über Nacht durch. Dunkelblonde Locken spriessen wie Kresse auf ihrem faltenreichen Körper. Zauberhaft ist ihr Blick, wenn sie aufmerksam die Ohrmuscheln nach vorne klappt. Es gibt nichts womit ich meinen Sommer lieber verbringen würde.

Anfang August. Peppina ist nun fünf Monate alt. Wir besuchen bereits wöchentlich die Hundeschule, damit Peppina einst ein folgsamer Hund und freudiger Begleiter wird. Erstaunlich jedoch, wieviel ich lerne, obwohl ich mein Leben lang Hund hatte. Ich dachte, dass die Schule nur für Peppina sei. Da hatte ich mich gewaltig getäuscht. Ich muss erst verstehen, was Peppina vorgeht, welche Körpersignale sie aussendet, wie Hundehirne ticken und wie ich ihr das Wissenswerte beibringen kann. Erst dann lernt sie und ich mit ihr. Schule eben.

Golden Retriever sind Apportierhunde. Ihre Leidenschaft gehört dem Suchen und Bringen. Ursprünglich holten sie zielsicher und konzentriert vom Himmel geschossene Enten und Fasane aus Sümpfen, Weihern und Wiesen und überbrachten sie den Jägern. Es liegt in ihren Genen. Mit sanftem Biss halten sie die Beute fest. Aus dem Jagdsport hat sich das Dummytraining entwickelt. Die Hunde apportieren aus weiter Entfernung Entenattrapen in Form einer festen Stoffwurst. Nun haben wir zwei Lektionen hinter uns.

„Was fuchtelst du mit deinen Armen, rufst Befehle, zerrst mich nach links und rechts?“ Peppina ist verwirrt. Es war ein kühler Freitagmorgen im Chüele Tal in Flurlingen. Mein elfjähriger Enkel, Levin, war zu Besuch. Wir waren früh zu der vereinbarten Dummy-Trainingstunde aufgebrochen, damit Peppina Zeit zum Versäubern hatte. „Wo ist die Hundepfeife?“, fragte ich mich. Sie lag wohl zu Hause. „Lass uns doch schnell heimfahren“, meinte Levin. Zuhause fand ich die Pfeife jedoch nicht. Schon steigerte sich meine Nervosität. Zu spät kommen, geht gar nicht. Also fuhren wir ohne Pfeife zurück. Und kamen prompt zu spät. Ich ärgerte mich über mich. Ungeduldig zerrte ich den Hund aus dem Auto, band die Leine um, griff nach Leckerlitäschchen, Hundesäckli, Decke und Wasser. Die Anspannung stieg. Es ist kaum zu glauben, aber plötzlich fühlte ich mich als Schulkind, das ohne Aufgaben und zu spät kommt. Meine Haare wehten mir ständig blickversperrend ins Gesicht, die Leine fiel aus der Hand, das Täschchen rutschte dorthin, wo garantiert meine Hand nicht nach dem Leckerli greifen konnte. Stress pur. Zu viel von allem und alles gleichzeitig. Selbstredend wollte ich ja alles richtig machen. Ehrgeizig? Nein, sicher nicht. Und Peppina? Sie verstand die Welt nicht mehr und mich am allerwenigsten.

Ich habe die Lektion verstanden. Erst muss ich mich sortieren. Haare zusammenbinden, Bauchtäschchen kaufen und einfach alles mit der Ruhe angehen. Hundeschule ist Lebensschule auch für den Halter.

„Nun bin ich schon ziemlich gross und unterhalte meine Umwelt mit vielen Lumpereien.“

6 Gedanken zu „Mit Peppina durch den Sommer

  • August 12, 2021 um 11:01 pm Uhr
    Permalink

    Sehr amüsant geschrieben, liebe Verena.
    Zu erkennen, was da alles schief gelaufen ist und das dann so zu reflektieren, ist bereits ein guter Schritt zum richtigen Weg.
    In der Ruhe liegt die Kraft … aber das wird bestimmt gut werden!
    Weiterhin viel Freude mit dem kleinen Goldschatz, und ich freue mich schon auf weitere Geschichten!
    Wünsch euch noch einen schönen Sommer!
    Brigitte mit der Hundefamilie vom Walderkamm: Oma Fenja, Papa Jack und Mama Vicky

    Antwort
  • August 13, 2021 um 9:25 pm Uhr
    Permalink

    Danke, liebe Verena, für die herrlichen Peppina-Geschichten sowie die tollen Fotos. Wir alle kennen solche Situationen im Leben, welche uns im Nachhinein zum schmunzeln bringen. Wunderbar reflektiert von dir. Wir hatten ja das grosse Vergnügen die junge Hundedame kennenzulernen. 😍 Wir freuen uns jetzt schon auf eure nächsten, gemeinsamen Erlebnisse. Liebe Grüsse Silvia u. Urs

    Antwort
  • August 13, 2021 um 11:44 pm Uhr
    Permalink

    Danke, liebe Verena, für die so schön geschilderten Erlebnisse zusammen mit der jungen Peppina und das Foto mit Johnny und Riva. Ganz liebe Grüsse in meine alte, vertraute Heimat. Edgar

    Antwort
  • August 15, 2021 um 9:27 pm Uhr
    Permalink

    So toll geschrieben liebe Verena. Kein Text ohne das ich schmunzeln muss. Es ist schön an eurer gemeinsamen Zeit teilhaben zu dürfen. Euer gemeinsames wachsen und zusammen wachsen so mitzuerleben. Die kleine Peppina ist zauberhaft und durch deine liebevolle Beschreibung wird sie noch zauberhafter.
    Herzliche Grüsse aus dem Tessin, Sandra.

    Antwort
  • August 16, 2021 um 11:01 am Uhr
    Permalink

    Wunderbarer Text, ich musste auch mehrmals schmunzeln. Fein entwickelt sich Peppina weiterhin so wunderbar.
    Du scheinst eine gute Hundeschule gefunden zu haben 🙂 Meistens müssen ja wir HH viel lernen 😉
    Ich freue mich auf die nächste Geschichte.
    Herzliche Grüsse Hélène

    Antwort
  • August 30, 2021 um 12:24 pm Uhr
    Permalink

    Ja, Verena, das mit der Hand und den Leckerli, die mit Sicherheit nicht zueinander finden, wenn es sofort nötig ist – das kennen Artis und ich auch. Artis setzte die Hundeschule dann ganz einfach aus bis die Belohnung für sie bereit war. So erzog sie mich, während ich versuchte, sie zu erziehen. 😉

    Antwort

Schreibe einen Kommentar zu Brigitte Kaltenböck Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.