Bretagne – eine Reise zum Meer – 1. Teil

Bretagne – eine Reise zum Meer – 1. Teil

Mein Plan war anspruchsvoll. Nach einer langen Coronazeit wollte ich endlich unbeschwert reisen. Masken und Zertifikat waren weg, Grenzen überschreiten, neue Welten entdecken. Das war der Plan. Jetzt sind drei Wochen vergangen und die Welt ist eine andere geworden.

Bevor ich heimkehre in mein Haus, in dem seit wenigen Tagen fünf geflüchtete Frauen leben, will ich zurückblicken auf diese wundervolle und abenteuerliche Reise in die Bretagne und ein wenig davon festhalten. Drücke ich erstmals die Klinke meiner Haustüre, werde ich emotional nicht mehr in die Bretagne zurückkehren können. Andere Aufgaben erwarten mich.

Meine erste Nacht – Dienstag, 1. März 2022

Aus meinem Tagebuch. „Es ist schon etwas unheimlich auf diesem abgelegenen Campingplatz (Camping les Castors) am Fluss kurz vor Belfort. Ich bin von Schaffhausen aus nicht weit gefahren. Nun stehe ich mutterseelenallein auf einem grossen, gepflegten Gelände. Kaum vorzustellen, wie sich in der Saison Dutzende von Vans, Zelte und Wohnwagen nebeneinander drängen. Spielplätze, Teiche und einen grossen Seilpark durchmischen sich mit vielen lustigen Holzfäller-Hüttchen, Knusperhäuschen und Bungalows. Noch sind sie allesamt unbewohnt, denn offiziell öffnet der Platz erst Mitte März. Da bin ich jetzt. Gemütlich sitze ich in meinen fünf Quadratmetern Camper. Die Standheizung läuft (noch, wie sich später herausstellt). Ich habe gekocht und mich häuslich eingerichtet. Draussen ist es zapfenduster. Peppina, meine grosse Golden Retriever Hündin, liegt wohlig und wärmend auf meinen Füssen. Ohne sie würde ich mich nicht so entspannt fühlen. Jetzt startet eine erste Nacht in meinem eigenen VW Camper.“ 

Die erste Woche – eher überfordernd

Erstens will ich meinen neuen VW California T6 erproben. Zweitens sind dies Peppinas erste grosse Camper Ferien. Die hormonellen Kapriolen eines jungen Hundes aushalten und dessen Bewegungsansprüche befriedigen, braucht etwas Nerven und Ausdauer. Drittens will ich die weit entfernte Bretagne erkunden. Eintauchen in die Welt der Kelten. Es ist ein langgehegter Wunsch und ich muss endlich die Sehnsucht nach Meer und wilder Natur stillen. Viertens habe ich die Standheizung, die das Fahrzeug in den vorerst kalten Nächten heizen sollte, noch nicht im Griff. Es war schlicht eiskalt trotz Thermoschlafsack und Bettflasche. Peppina kleide ich in ihr rotes Wintermäntelchen. Biensûr on parle français ici, was mir gerade auch nicht so leicht fällt. Es ist die Summe der Dinge, die sich anfänglich doch recht stressig anfühlt. Setze ich mich allerdings morgens ans Steuer, dann sind alle nächtlichen Schwierigkeiten vergessen und ich schwebe durch die Landschaft.

Bevor ich zum Meer kam, habe ich noch zwei Mal übernachtet. Einmal in Sully-s-Loire kurz vor Orléans und in Tours. Am vierten Tag erreiche ich Nantes und von da an nähere ich mich gemächlich über Landstrassen dem Atlantik. Welch eine Freude.

Und dann leuchtet das Meer. Die Strapazen haben sich doch gelohnt, denke ich. Endlich am Meer zu sein, hat uns beide belebt. Peppina konnte ihr Glück kaum fassen.

Meine Vorsaison Reisezeit bringt allerdings auch viele Vorteile. Die Sehenswürdigkeiten sind ohne Reservation zugänglich. Es sind Parkplätze vorhanden und gratis. Hunde dürfen noch an die Strände. Noch kann man Dörfer und enge Gässchen problemlos passieren. Die Menschen sind gesprächig, interessiert und haben Zeit. Es blühen Kamelien, Stechginster und Mimosen umhüllen einem mit ihrem Duft. Es ist sehr entspannt und einfach. 

Mimosen

Das Glück auf vier Rädern

Leere Sandstrände

„Es sind diese Momente die schon sehr glücklich machen. Nach einer warmen Nacht im Bus. Die Erste, denn endlich tut die Heizung, wie ich es möchte. Dann eine frische Dusche vor Sonnenaufgang. Alles zusammenpacken und einfach losfahren. Abzweigen und plötzlich stehe ich an diesem Flecken Natur. Kormorane, Reiher und Möwen warten auf frische Nahrung, die die heranrollende Flut bringen wird. Ich höre die ferne Brandung. Sonnenaufgang, eine heisse Tasse Tee und nichts rundherum ausser Himmel und Wasser mit der gespiegelten Landschaft. Das macht mich sehr glücklich. Dafür habe ich mich eine Woche lang ziemlich gequält. Nicht immer, aber oft. Ich höre französische Chansons am Radio und denke, so friedlich könnte es doch sein auf unserer Welt.“ aus meinem Tagebuch 

18 Gedanken zu „Bretagne – eine Reise zum Meer – 1. Teil

  • März 20, 2022 um 11:16 am Uhr
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    Liebe Verena

    wunderschön zu lesen, Bin etwas neidisch, aber inspiriert es nach zu machen.

    Sonnige Grüessli
    Corsin

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    • März 20, 2022 um 12:01 pm Uhr
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      Lieber Corsin
      Es braucht immer Mut anzufangen. Mach es einfach. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass man Dinge tut, die man schon lange wollte. Liebe Sonntagsgrüsse Verena

      Antwort
    • März 20, 2022 um 7:25 pm Uhr
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      Danke, einfach danke, liebe Verena! Ich bin nach wie vor süchtig nach deinen Geschichten. Sie sind wunderschön und entführen mich in neue Welten. 🥰

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      • März 21, 2022 um 7:58 am Uhr
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        Liebe Ursula
        Ohne Menschen, die süchtig nach diesen Geschichten sind, würde es mir nur halb so viel Spass machen, sie zu teilen. Danke, dass Du immer mitreist. Ganz liebe Grüsse Verena

        Antwort
  • März 20, 2022 um 11:30 am Uhr
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    Lovely reading your journey story and hope you are enjoying the gorgeous weather and springtime we have here at the moment.
    My translation is rusty but I can understand most
    Stay safe and much love xxx

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    • März 20, 2022 um 11:52 am Uhr
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      Hi Gilly
      Thanks a lot for writing. I really enjoy some sunny and warm days. Xxx

      Antwort
  • März 20, 2022 um 11:37 am Uhr
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    Guten Morgen – liebe Verena – dein Bericht liest sich sehr spannend und ich kann deine Glücksgefühle nachempfinden. Ich bewundere dich in jeder Hinsicht, wie du deine Vorhaben in die Tat umsetzt und mich dadurch sehr motivierst, es dir gleich zu tun. Alles hat seine Zeit und auf meine Zeit freue ich mich, besonders auf einen baldigen Austausch mit dir. Mit meinen besten Wünschen für dich und eine herzliche Umarmung. Sonnige Grüsse . Brigitte

    Antwort
    • März 20, 2022 um 11:58 am Uhr
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      Ich würde mich freuen auf ein Treffen. Herzliche Sonntagsgrüsse vom Atlantik.

      Antwort
  • März 20, 2022 um 12:23 pm Uhr
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    liebe Verena
    es ist eine Wohltat deinen Bericht zu lesen. Geniesse es einfach. Natürlich habe ich gestaunt, wie sich dein „Goldschatz“ zwischenzeitlich entwickelt hat und noch zur stürmischen Zeit unserer Hunde, sie hält erstaunlich lange an. Geduld, Musse – aber das hast du ja nun in der Bretagne zur Genüge. Ich kann den Duft der Gegend beinahe riechen.

    Herzlichst Claudia

    Antwort
    • März 21, 2022 um 8:01 am Uhr
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      Liebe Claudia
      Du kennst die Bretagne? Es ist so abwechslungsreich hier. Nachdem ich gestern zum Abschluss noch die Salzgärten der Guerande besucht habe, geniesse ich einen letzten Morgen am Meer vor meiner Heimreise. Ja, meine Peppina ist ein wilder Haufen, aber sehr ruhig, wenn sie muss. Liebe Grüsse Verena

      Antwort
  • März 20, 2022 um 2:01 pm Uhr
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    Guten Tag Frau Verena Prager,
    vielen Dank für den Bericht einer Reise (die endlich wieder möglich ist).
    Am Ende Ihrer Einleitung schreiben Sie von Flüchtlingsfrauen, die bei Ihnen untergekommen sind. Das finde ich wirklich beeindruckend! Alle Achtung!
    Bin gespannt auf Ihren nächsten Bericht.
    Liebe Grüße achim lehmann

    Antwort
    • März 21, 2022 um 8:04 am Uhr
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      Guten Morgen Achim
      Danke für die wohlwollenden Worte. Ja, wir haben bei mir zuhause fünf Frauen aufgenommen und meine Tochter Linda hat die Verantwortung und die ganze Organisation übernommen. Eine wirklich sinnvolle Arbeitsteilung, die es mir ermöglicht diese Reise voll zu geniessen. Herzliche Grüsse vom letzten Morgen am Meer. Verena

      Antwort
  • März 20, 2022 um 3:00 pm Uhr
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    Wie immer schön, an Deinem Abenteuer teilzunehmen.
    Dieses Mal nicht mit einem sehnsuchtsvollen Dauerlächeln, da wir ebenfalls den Geruch vom Meer in der Nase und die Weite des „ Käseglocken Himmels“ über uns haben. Herzensgrüsse aus Otranto Gabriele

    Antwort
    • März 21, 2022 um 8:06 am Uhr
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      Ciao Gabriele
      Schön zu wissen, dass Ihr auch diesen Genuss am Meer habt. In die Weite blicken, herumstöbern und einfach die Seele baumeln lassen, bei dir in Italiano. Geniesst es.

      Antwort
  • März 20, 2022 um 3:33 pm Uhr
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    Liebes Vreni, so schön, Deine Bericht zu lesen! Ich geniesse es jedesmal und bin ganz neidisch über Deine Kraft und Deinen Mut. Bravo! Mit liebe grüssen aus dem Engadin – Charlotte

    Antwort
    • März 21, 2022 um 8:09 am Uhr
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      Liebe Charlotte
      So schön von Dir zu hören. Ja, Mut braucht es vor allem beim ersten Schritt. Dann geht es ja einfach weiter. Zu wissen, dass ich aber jeder Zeit auch umkehren kann, hat gerade in diesen Tagen eine besondere Bedeutung bekommen. Die fünf Frauen in meinem Haus sind aus Kiev und würden gerne einfach nur nach Hause fahren
      Ganz liebe Grüsse in bestimmt wundervolle Engadin. Vreni

      Antwort
  • März 20, 2022 um 5:40 pm Uhr
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    Geniesse dein Abenteuer – ich beneide dich, aber es ist eine Frage der Zeit bis ich mit meinen Mädels auch mal aufbreche. Komm gesund und glücklich zurück.
    Wunderbare Bilder, toll geschrieben. Ich weiss was du meinst, wenn man alleine unterwegs ist und frau sich dann doch auch mal fragt, was mache ich denn hier? Gratuliere dir für deinen Mut!
    Renata

    Antwort
    • März 21, 2022 um 8:14 am Uhr
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      Liebe Renata
      Danke, dass Du mir geschrieben hast. Der Mut ist besonders in den ersten paar Stunden einer Reise, aber sobald man angefangen hat, geht es fast von allein weiter. Das Gefühl, dass ich immer die Wahl habe, weiterzureisen oder einfach umkehren, hat in diesen Tagen eine besondere Bedeutung bekommen. Die Frauen in meinem Haus haben diese Wahl nicht im Moment. So bin ich gerne mutig, denn ich kann immer wieder neu entscheiden.
      Ganz liebe Grüsse Verena
      Und danke für all die wunderbaren Hundelektionen, die ich wirklich anwenden kann.

      Antwort

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