Bereits in der zweiten Woche setzte eine wohltuende Routine ein. Gleiche Abläufe verhindern Chaos, gewähren Zeit für all die überraschenden Erlebnisse, die einem auf einer Reise begegnen. Ich liebe Rituale, denn sie geben mir einen Rahmen und Sicherheit.
Auch Ordnung ist auf kleinem Raum überlebenswichtig. Ladekabel, Handy und Powerbank bekamen ein «Bettchen», Werkzeuge, Schläuche und Elektrokabel eine Box, das Essen packe ich in den Kühlschrank, Zahnbürste und Nachtcrème lege ich immer ins selbe Kästchen. Häufig genug suche ich ansonsten Schreibzeug, Landkarten oder gar die Autoschlüssel. So passierte es auch auf dieser Reise in der Bretagne. Nach verzweifelter Suche und angestrengtem Zurückverfolgen möglicher Depots stellte sich heraus, dass der Schlüssel wohl am richtigen Ort lag, aber ich ein Buch darüber gelegt hatte. Die sinnlose Suche kostete mich Nerven und einen entspannten Start in den Tag. Ich werde mir einen iPhone Button zur Schlüsselsuche kaufen, denn ohne Autoschlüssel ist meine Reise schnell vorbei.
Nicht alles ist wirklich zweckmässig, was ich mitgebracht habe. Verwende ich etwas nicht, so stopfe ich es in ein Kästchen, in dem man sowieso keine Ordnung einbringen kann. Es sind zu viele warme Jacken und Decken, aber zu wenig Kleider und Hundefutter. Das Erfreuliche ist, dass ich unterwegs ein paar T-Shirts kaufen musste und fürs Futter, Hundezubehör Läden gefunden habe. Einmal mehr: Google sei Dank. „Magazin Vert“ und „Bricomarsché“ sind gute Anlaufstellen.
Peppinas 1. Geburtstag (6. März)

Es ist Anfang März, die Strände sind menschenleer, Hunde jagen sich über den Sand, Einheimische buddeln nach Muscheln, die Sonne scheint und es gibt überall Parkplätze. Wir suchen uns den schönsten, denn heute hat Peppina Geburtstag. Dass sie ein wenig mehr verwöhnt wird, erstaunt sie nicht weiter. Ich bin stolz, dass sie so ein toller, lerngieriger, anschmiegsamer und natürlich bildschöner Hund geworden ist. Als Team sind wir weit gekommen in diesem ersten Jahr. Sie weiss, wie sie sich beliebt machen kann. Mit lustigen, artistischen Kapriolen umgarnt sie andere Hunde am Strand, liegt hingegen artig unter dem Tisch im Restaurant. Sie bellt kaum, ist genügsam und ein überaus aufmerksamer Reisebegleiter. Genau so einen Hund hatte ich mir gewünscht für mein weiteres Leben.





Die Steinreihen, Megalithen und Menhire von Carnac
Diese Sehenswürdigkeit wollte ich besuchen. Welch schöneres Geburtstagsgeschenk für mich und Peppina als diese 3000 Steine, die auf mehreren Feldern vor langer Zeit aufgestellt wurden, zu durchwandern, was nur in der Vorsaison erlaubt ist. Im Sommer kann man bloss aussen herum gehen. Es ist ein erhabenes Gefühl, meine Hand auf einen 7ooo Jahre alten Stein zu legen, in der Vorstellung, dass ihn auch erste sesshafte Menschen berührt hatten. Die Vergänglichkeit ist so nahe. Aus einem Prospekt: „Die 7000 Jahre alten Steinreihen von Carnac sind als Zeugnis der europäischen Vorgeschichte in der ganzen Welt bekannt. Das Besondere an den Megalithen von Carnac ist ihre unglaubliche Anordnung in gleichmäßig angelegten Reihen. Besichtigen Sie den weltweit größten megalithischen Komplex dieser Art. Allein die beiden wichtigsten Stätten, Ménec und Kermario, zählen etwa 3000 Menhire. Die Steinreihen ziehen sich über fast 4 Kilometer.“




Unterwegs biegen wir ab durch dichten Wald zum Géant du Manio, ein 6.5 Meter hoher Menhir aus der Jungsteinzeit. Er steht einsam auf einer Anhöhe mit ernstem Blick in die Ferne gerichtet. Ist es der Schattenwurf oder Absicht eines Jungsteinmenschen?

Pointe du Raz
Immer westlicher und nördlicher zieht es mich auf der „Route côtière“ die Küste hinauf. Ich fahre zu Buchten mit türkisblauem Wasser und schlängle mich zu kleinen versteckten Häfen runter, zu weiten Sandstränden und Landspitzen. Die westlichste Spitze heisst Pointe du Raz. Vom Parkplatz aus erreicht man sie in einem halbstündigen Spaziergang. Die Küste ist auch hier sehr zerklüftet und bedrohlich steil. Der Rundblick auf Inseln, Felsen und Leuchttürme lässt die Gefährlichkeit in diesen Gewässern erahnen. Atlantische Sturmnächte sind unberechenbar. Es zieht mich zu immer abgelegeneren Stellen, wo ich die Nächte im Anblick des Meeres verbringen kann. Hier erobere ich mir ein Stück Freiheit zurück, auch wenn es gelegentlich etwas kribbelt und das Herz schneller schlägt. Es kann doch sehr einsam sein. Das Rauschen der Brandung in der Nacht, der volle Mond, den ich erlebte und die ersten morgentlichen Sonnenstrahlen am taunassen Strand waren es alleweil wert.






Aus meinem Tagebuch: „Nach einer wunderbaren Nacht auf dem Parkplatz der Pointe du Raz, kuschelig angeschmiegt an Peppina im unteren Bett des Buses, sind wir nach dem ersten Regen losgefahren, aber nur wenige Kilometer, denn es kam die bezauberndste Bucht mit aquamarinem Wasser, sanften Brechern, eingebettet zwischen zwei Hügeln. La Baie des Trépassés (Totenbucht). Wir hielten. Wie auf Knopfdruck ging die Sonne an und überstrahlte den Sand. Sie wies uns den Küstenwanderweg hoch über die Bucht. Er führte zurück zum Leuchtturm des Pointe de Raz, wo wir die Nacht verbracht hatten. Über schmale Graswege stiegen wir immer höher den schroffen Klippen entlang. Peppina war meist angeleint. Nach einer Stunde mit traumhaften Panoramen kehrten wir zum Ausgangspunkt der letzten Nacht zurück. Da gab es doch einen Cappuccino, erinnerte ich mich! Aber natürlich hatte ich kein Geld im Sack. Also ging ich hin und erzählte meine Geschichte der stündigen Wanderung und bettelte um einen Cappuccino. Ich bekam ihn an der Sonne serviert. Natürlich werden wir zurückgekommen und bezahlen. Vielleicht sogar Mittagessen. Mein Französisch ist noch immer jämmerlich, aber ich habe den Cappuccino bekommen.“ Und später das Mittagessen.



Küstenwanderweg – Sentier Côtier GR 34 (Grande route)
Der Zöllnerpfad, sentier des douaniers, ist der Star unter den Fernwanderwegen. Er führt von Saint-Nazaire im Süden 2000 km bis zum Le Mont-Saint-Michel im Norden rings um die ganze Bretagne immer in nächster Nähe zur Küste. Voll in Wind und Sonne, Salz und Gischt. Peppina und ich sind jeden Tag viele Kilometer auf diesen rotweiss markierten schmalen Pfade gegangen. Ich bin nicht so gut im Merken von Ortsnamen. Fangen die meisten doch mit einem „P“ an: Plouhinec, Pouldreuzic, Plogoff, Plouvien, Plougin, Plourin, Plogonnec. Es gab durchaus Namen die behalten kann. Le Conquet, Pont Aven, Brest, Milizac, Crozon. Aber mehr davon im 3. Teil.







Herrlich deine berichte und fotis. Lese sie gerne und fühl mich dabei👌💪🏼
so schön, Deine Berichte zu lesen! Danke Dir! Ich kenne die Bretagne aus den Krimis von Jean-Luc Bannalec. Beneide Dich, obschon es hier im Engadin auch schön ist. Gute Fortsetzung und ganz liebe Grüsse.
Guten Tag Frau Verena Prager,
vielen Dank für die wundervolle Reisebeschreibung. Man bekommt direkt Lust, selbst auf Tour zu gehen.
Ich wünsche Ihnen, und Peppina, eine weiterhin gute Zeit auf Ihrer Fahrt.
Liebe Grüße achim lehmann
Hola Verena
Wunderbar geschrieben und mit tollen Impressionen unterlegt!
Obwohl wir ja derzeit beide mit unseren Büsslis unterwegs sind, und im fast täglichen Erlebnisaustausch, kommen Deine Texte hier nochmals ganz tiefgründiger rüber.
Danke Dir und wir hören uns…..
Liebe Grüsse derzeit aus Andalusien
Urs und Silvia
Lieber Urs und Silvia
Unser gemeinsamer Status hat sich geändert, denn ich bin nun wieder daheim. Danke für Eure schönen Worte und gute Weiterreise.