Noch in der Dunkelheit verliessen meine Schwester, Barbara und ich bei eisigen Gisborne-Temperaturen die Hügel ausserhalb Melbourne’s. Jan, der den Shuttle Service übernommen hatte, spukte uns am Flughafen aus. Da waren wir nun. Ausgeliefert an tausend Maschinen, die unsere Pässe schnappen wollten, koffer-schluckende Bänder, begierige Kontrollen und einige Schlangen vor weiteren Schranken. Aber wir haben uns durchgedrückt und sind auf der anderen Seite unbescholten rausgespuckt worden. Zur Belohnung und ersten Erholung genossen wir unseren Cappuccino mit Mandelcroissant. Jetzt konnte uns nichts mehr anhaben.
Würde ich es in den zwei Tagen noch schaffen? Ja, es ist fertig. Integriert sind die „Snapseed“ Fotos. Vier A3 Bilder. Meine Stifte, Bilder und Papier sind sortiert und bereit für die Heimreise, das Studio aufgeräumt. Ich freue mich nun auf alles was kommt. Danke für all Eure ermunternden Rückmeldungen.
Meine letzten Tage auf der anderen Seite der Erde sind abgezählt. Heute Sonntag sitze ich bei grellem Sonnenschein, lauem Lüftchen und lockeren 21 Grad in einem Café in Gisborne. Ein ländliches und mit neuen Ansiedlungen verzetteltes Country-«Kaff», das nichts Aufregendes, Spektakuläres oder sogar Historisches aufweist. Jedoch ein Ort mit allem was man braucht. Jeden Nachmittag fahre ich ins Dorf, wenn es auch nur ist, um einen Cappuccino take away zu trinken. Ich suche etwas Abwechslung und Betrieb, um dann zufrieden in die Idylle und Stille der Farm zurückzukehren. Bevor meine Schwester und ich für zwei Wochen nach Neuseeland reisen, will ich zurückblicken auf diese sehr besondere Zeit.
Die prophezeite Rekordhitze ist eingetroffen, klagen wir. «The weather as usual» befinden die Australier. Was sich an der Wetterfront täglich hier in Victoria abspielt, will ich Euch heute erklären, aber zuerst warum genau heute. Heute Abend um 19.30 Uhr werden mein Schwiegersohn und ich in der Rod Laver Arena schmachten und bei der Schlacht im Halbfinal zwischen Djokovic gegen Pouille dabei sein. Ihr werdet uns vielleicht zwischen 15’000 Zuschauern entdecken, wie wir irgendwo in den mittleren Reihen dahinschmelzen. Wir wissen nicht, wer gewinnen wird, wir wissen einzig, dass es ein verrückter Wettertag ist. Erst steigt die Temperatur auf 44 Grad und dann so gegen 17 Uhr fällt alles um 15 Grad innert 20 Minuten zusammen. Wir werden leiden, halb verdursten und vielleicht jammern, aber wir werden jede Minute aufsaugen, mitjubeln und glücklich sein, dass wir dabei sind.Mehr lesen →
Schlaff hockt sie unter einem Busch, rauchig hört sich ihr Atem an während sie nach Luft schnappt. Der Kamm, einst feuerrot und fest, bammelt dunkel violett herum, ein echtes Alarmzeichen für den Hühnerkenner. Louise ist krank. Sie ist eine hübsche Legehenne, weiss gefiedert mit grau melierten Schmuckfedern rund um die Halskrause und hüpfende, perlenfarbene Schwanzfedern. Louise ist bekannt. Sie hat Charakter und trägt ein paar Erfahrungsjährchen in den Federn. Wie viele Eier sie wohl schon gelegt hat?
Die Tasten sind stumm und auf dem Papier tanzen die Pinsel. Statt zu schreiben, male ich mit Leidenschaft. Ich geniesse das Leben mit der Natur. Kaum bin ich mit dem Fernglas den vielen Kakadus hinterher gepirscht, ruft auch schon der knallrote Papagei oder die Elster schimpft lauthals um die Häuserecke. Jedes Lebewesen steht mir Modell. Im Abendlicht den äsenden Kängurus zuzuschauen, lässt mich das Rundherum vergessen. In grossen Sprüngen, abgestützt auf ihren kräftigen Schwänzen, schwingen sie sich samt tiefhängenden Beuteln über die hohen Zäune. Während die Mutter vornüber gebeugt, genüsslich die saftige Luzerne frisst, neigt sich das „Joey“ frech aus dem prallen Beutel und knabbert ebenfalls an den Stängeln.
Ich sitze auf derselben Veranda und trinke denselben frischen Zitronenmelissen Morgentee, wie im Jahr nach meinem sechzigsten Geburtstag, als ich zum letzten Mal hier war. Die australische Sonne versprüht heute, genau wie damals ihre stechende Wärme. Kein Dunst trübt den Himmel. Stille, einzig von einem Flugzeug und Vogelklängen gestört, breitet sich über das weite Land. Satte Weiden nähren die herumwandernden Schafe, gefrässigen Kängurus und Kaninchen. Alles ist so wie es vor fünf, vor zehn oder noch mehr Jahren war.
Habt Ihr euch auch schon gefragt, wohin unser Orientierungssinn entschwunden ist. Zum Beispiel steht man an einer Kreuzung und möchte zurück zum Hotel gehen. Alles erscheint fremd. Plötzlich fliesst der Singapore River links anstatt rechts, die Hochhäuser stehen südlich dabei sollten sie in nördlicher Richtung liegen. Bin ich nicht dreimal um den Häuserblock gegangen? Oder waren’s doch nur zwei Mal? Früher folgte ich instinktiv meinem inneren Kompass. Ist der Kompass kaputt oder haben sich die Häuser gedreht? Es hat eine Weile gedauert bis ich mir eingestand, dass mich der einst gute Orientierungssinn in den letzten Jahren verlassen hat. So wie der Gehörsinn und meine Sicht, ist ein Teil wohl den Jährchen zum Opfer gefallen. Kann sein, aber viel mehr glaube ich, dass ich verlernt habe, bewusst die Orientierung zu schärfen. Ich wähne mich ja in Sicherheit mit GPS, Google map oder HERE we go (meinem Lieblings-Navigator). Warum soll ich mir Häuserfarben, Strassennamen oder Landmarken einprägen, wenn man mit diesen Geräten jederzeit aus dem Labyrinth findet.
Am Tag zwei starte ich also einfach ins Blaue raus.
Ich will einfach der Nase nach, dem Gefühl vertrauen, der Neugierde Platz geben und dem Abenteuer hinterher jagen. Singapore ist freundlich, sicher und voller neuer Winkel zu entdecken. Also weg von den Hochhäusern hinein ins Chinaviertel. Durch Gässchen, über Passerellen und um tausend Ecken komme ich immer tiefer hinein. Die eins bis zwei Stockwerke hohen, schmalen mit kunterbunten Holzläden versehenen Reihenhäuser haben strasseneben kleine Läden fürs tägliche Leben. In engen Arkaden teilen sich Ware und Fussgänger einen beschatteten Durchgang. Ich schlängle mich durch eine immer grössere Menschenmenge. Wo bin ich, was gibt’s es zu sehen?
Buddha Tooth Relic Temple
Plötzlich stehe ich vor dem grossen, roten Tempel, dessen Fassade mich schon vor fünf Jahren fasziniert hatte. http://www.btrts.org.sg
Buddha Tooth Relic Tempel, der Erzählung nach ist hier der linke Eckzahn von Buddha aufbewahrt, ist ein imposanter, die Sinne berührender Tempel. Räucherstäbchen, Stimmengemurmel, betende und staunende Besucher locken mich hinein. In Gold und Rot gehaltene Räume offenbaren einen Reichtum an Buddha Statuen, Gemälden, Opfergaben und Wertgegenständen. Wie vieles in der Stadt wurde der Tempel erst 2007 mit Hilfe grosszügiger Spenden gebaut. Im grossen Saal halten schwarz und orange gekleidete Mönche und Buddhisten eine Zeremonie ab, der wir Besucher beiwohnen können.
Ich ziehe mich in die oberen Stockwerke zurück. In einer umfangreichen Ausstellung mit kunstvollen Statuen und Gegenständen findet der Besucher auf Bildschirmen viel Wissenswertes über das Leben von Buddha, seinen Geschichten und Taten. Auf der vierten Etage in der Sacred Light Hall befindet sich schliesslich das Herzstück des Tempels, der heilige Zahn.
Die Buddhazahn-Reliquie nistet in einer riesigen und eindrücklichen Stupa, die aus 320 Kilogramm Gold gefertigt ist. 234 Kilogramm wurde von Gläubigen gespendet. Nur Mönche dürfen die Reliquienkammer betreten. Alle anderen müssen von aussen staunen.
Zuoberst betrete ich einen romantischen, stillen Garten, der mir nach so viel prunkvollen Eindrücken hilft, mich zu sammeln und auszuruhen. Und dann geht’s der Nase nach – im wörtlichen Sinn.
Aber davon handelt mein nächster und letzter Bericht aus Singapur.
Nach einem angenehmen zwölf Stunden Flug landete ich in der Morgendämmerung auf dem Changi Flughafen in Singapur. Ich fühlte mich übernächtigt, aber glücklich und fantasierte über ein weiches Hotelbett. Mein Zimmer sei noch nicht bereit, meinte die Rezeptionistin. „Ok“, war alles was ich dazu sagte. Auch mein äusserst enttäuschtes Gesicht zauberte kein Bett herbei. So nahm ich vorerst meine Umgebung in Augenschein, bot diese doch einen ziemlich ungewöhnlichen Anblick. Eine hohe schwarze Holzschwelle (bitte Röcke und Koffer darüber heben) markierte den Eingang in den chinesisch historischen Tempel. Im dahinterliegenden, zum Himmel offenen Atrium, begrüsste mich ein bronzener chinesischen Wasserträger und weitere Ausstellungsgegenstände. Die teils gewollte Baustelle mit historischen Elementen erregte meine Aufmerksamkeit und blies meinen Ärger zum Hintereingang raus.
Hotel Eingang
River Singapur
Bronzefiguren zum frühen Leben im Chinaviertel
Von oben in die Rezeption
AMOY Boutique Hotel gehört zur chinesischen Fareast Hotelgruppe und befindet sich mitten im quirligen historischen Chinaviertel, das von den ersten Einwanderern Chinas gegründet wurde.
Umgehauen hat mich Mitteleuropäerin die Luftfeuchtigkeit. Was Hitze ist, wissen wir ja vom letzten Sommer her. Die Kombination jedoch ist schweisstreibend, denn Singapur liegt am Äquator und ist in dieser Zeit auch von der Regenzeit beeinflusst. Dafür ist alles wunderbar grün, aber den Regenschirm zu vergessen kann, von der Feuchtigkeit zur Traufe führen. (etwas abgewandelt)
Noch vor Sonnenaufgang sass ich bereits aufgeweicht und müde an der Marina Bay mitten im Business Center beim Merlion, dem Wahrzeichen des Stadtstaates Singapur. Das Wasser speiende Fabelwesen ist halb Fisch und Löwe. Auch beim ersten Aufenthalt vor 35 Jahren gehörte er bereits zu den Attraktionen. Er stand allerdings noch am Eingang zum Singapur River. Nach 10’500 km Reise entspannte mich die Vertrautheit des Ortes.
Marina Bay
Die Sonne geht im zwölf Stunden Rhythmus auf und unter. Auch an meinem ersten Morgen quetschte sie sich zwischen dem aufsehenerregenden Marina Sands Hotel (drei Türme mit einem Surfbrett darüber) und dem einer Lotus nachempfundenen Science Museum hindurch. Der mit Schäfchen- und Schleierwolken verhangene Himmel begann zu glühen . Wow. Und dazu einen Café Latte von Starbucks. Wer mich kennt und meinem Reiseblog folgt, weiss, dass ich für einen schaumigen Morgenkaffee Meilen gehe.
Läuft einmal nicht so wie wir es uns vorgestellt haben, kann daraus immer auch ein Geschenk werden. Mein heutiges Geschenk war diese Morgenstimmung mit einem Latte in der Hand.
Es ist Sonntagabend vor meiner Abreise nach Australien. Ich entzünde noch einmal den Gartengrill. Meine romantische Playlist schallt Sommerstimmung ins Mühlental runter. Dazu ein Glas Weisswein und melancholische Gedanken zum kleinen Abschied. «Partir c`est toujours un peu mourir.» Erstmals google ich diesen Lebenssatz meiner längst verstorbenen Mutter und entdecke das dazu gehörende Gedicht. Ich belasse es auf Französisch, denn die Übersetzungen sind es nicht wert. In etwa: Jeder Abschied ist ein wenig sterben, aber die Seele bleibt.