Ich wusste, dass es dieses Jahr anders sein würde, Wochen bevor ich abgereist war. Feuer wüten. Städte, umliegende Wälder und bewohnte Regionen stehen in Flammen. Verhüllte Menschen meiden das Draussen, Tiere verenden, Bewohner werden evakuiert. Drama.
Zweifelsohne, Venedig ist wunderschön, spannend, hinreissend, einmalig und beim Thema Kreuzfahrtschiffe äusserst kontrovers. Zeichnerisch dieser Stadt zu begegnen, meine neue Herausforderung. Ich wollte endlich mal besser zeichnen lernen, mich mit Perspektiven und Wasserfarbe auseinander setzen. So habe ich einen „Urban sketching„ (städtisches Zeichnen) Kurs in Venedig gebucht.
Und das ist mein Fazit nach den ersten zwei Tagen. Zuviel Linien an Häusern, Gassen, Fenstern, Giebeln und dann all die Pflöcke, Pfosten, Kamine, Pflastersteine, Fahnenstangen.
Dazu gesellen sich schräge, waagrechte, senkrechte, geschweifte und abgerundete Striche. Alle diese Begrenzungen enden in Unendlichkeitspunkten, die sich wild in den zu engen Gassen zwischen Quadersteinen, abgebröckeltem Verputz und von erschütterten Mauern kreuzen und überkreuzen.
Das alles sollte ich mit Bleistift zu Papier bringen? Welchen Bleistift denn nehme ich, frage ich mich. Denn spannend sollte die Szene ja auch noch sein, sowie Schatten und weiße Felder klar abgrenzen. Das Ganze natürlich in der Perspektive und darob nicht zu vergessen, den Rahmen zu setzen oder gar zu verschieben.
Es folgen die Farben, die ich auf diesem kleinen Palettchen mixen sollte, gemischt aus drei klaren Tönen. Nota bene, mache ich das so auch zum ersten Mal.
Fast hätte ich die Motivsuche vergessen. Venedig ist schön, spannend, wunderbar farbig im hellen Sonnenlicht. Aber wo anfangen? Ich bin überfordert. Klar auch enttäuscht über mich selber. Wer hängt schon gerne hinten nach?
Ich habe meine Aufgabe nicht erfüllt heute Nachmittag. Leistungs-und Zeitdruck und vor allem habe ich es so von mir nicht erwartet.
Nun muss ich zurück zur Gruppe mit wiederentdeckt Seiten. Ich bin traurig. Apero Spritz, wunderbar orange, hilft, aber ich habe trotzdem nichts.
Betonen möchte ich, dass es nicht an der äusserst kompetenten und engagierten Dozentin, noch am idealen Hotel oder an den Kollegen liegt. Ich muss mich einfach etwas in Geduld und Demut üben.
Kurz nachdem wir die Strasse vom Süden her zum Fox- und Franz Josef Gletscher passiert hatten, stürzte eine Geröll Lawine runter, die die Strasse verschüttete und für die nächsten Tage unpassierbar macht. Es ist die einzige Küstenstrasse. Ein Reisebus konnte erst mehrere Stunden später gerettet werden. Und alle gebuchten Touristen bleiben aus.
So sieht unser „Pech gehabt“ plötzlich nicht so schlimm aus. Schön, dass wir heil durchgekommen sind. Wir sind dankbar.
Christchurch hinterlässt Spuren. Man fühlt sich betroffen, wird eingesaugt und rastlos. Es ist eine bewegte Stadtgeschichte. Ein Erdbeben hatte am 22. Februar 2011 um 12.51 Uhr getobt und die Innenstadt zum Einstürzen gebracht. In der Maori Mythologie ist Ruaumoko, der jüngste, Sohn von Himmelsvater Rangi und Mutter Erde, noch ungeboren. Ruaumoko ist eingeklemmt, rastet aus und tritt wütend gegen die Bauchdecke seiner Mutter und zwar dort, wo sich Christchurch befindet.
Auf der Fahrt von Queenstown nach Wanaka sass meine Schwester sehr schweigsam neben mir. Sie hatte eine üble Nacht erlebt als Folge einer Lebensmittelvergiftung in einem Sterne Restaurant in Queenstown. Mir ging es gut und so machte mir die Strasse nach Wanaka nichts aus.
Noch in der Dunkelheit verliessen meine Schwester, Barbara und ich bei eisigen Gisborne-Temperaturen die Hügel ausserhalb Melbourne’s. Jan, der den Shuttle Service übernommen hatte, spukte uns am Flughafen aus. Da waren wir nun. Ausgeliefert an tausend Maschinen, die unsere Pässe schnappen wollten, koffer-schluckende Bänder, begierige Kontrollen und einige Schlangen vor weiteren Schranken. Aber wir haben uns durchgedrückt und sind auf der anderen Seite unbescholten rausgespuckt worden. Zur Belohnung und ersten Erholung genossen wir unseren Cappuccino mit Mandelcroissant. Jetzt konnte uns nichts mehr anhaben.
Die prophezeite Rekordhitze ist eingetroffen, klagen wir. «The weather as usual» befinden die Australier. Was sich an der Wetterfront täglich hier in Victoria abspielt, will ich Euch heute erklären, aber zuerst warum genau heute. Heute Abend um 19.30 Uhr werden mein Schwiegersohn und ich in der Rod Laver Arena schmachten und bei der Schlacht im Halbfinal zwischen Djokovic gegen Pouille dabei sein. Ihr werdet uns vielleicht zwischen 15’000 Zuschauern entdecken, wie wir irgendwo in den mittleren Reihen dahinschmelzen. Wir wissen nicht, wer gewinnen wird, wir wissen einzig, dass es ein verrückter Wettertag ist. Erst steigt die Temperatur auf 44 Grad und dann so gegen 17 Uhr fällt alles um 15 Grad innert 20 Minuten zusammen. Wir werden leiden, halb verdursten und vielleicht jammern, aber wir werden jede Minute aufsaugen, mitjubeln und glücklich sein, dass wir dabei sind.Mehr lesen →
Die Tasten sind stumm und auf dem Papier tanzen die Pinsel. Statt zu schreiben, male ich mit Leidenschaft. Ich geniesse das Leben mit der Natur. Kaum bin ich mit dem Fernglas den vielen Kakadus hinterher gepirscht, ruft auch schon der knallrote Papagei oder die Elster schimpft lauthals um die Häuserecke. Jedes Lebewesen steht mir Modell. Im Abendlicht den äsenden Kängurus zuzuschauen, lässt mich das Rundherum vergessen. In grossen Sprüngen, abgestützt auf ihren kräftigen Schwänzen, schwingen sie sich samt tiefhängenden Beuteln über die hohen Zäune. Während die Mutter vornüber gebeugt, genüsslich die saftige Luzerne frisst, neigt sich das „Joey“ frech aus dem prallen Beutel und knabbert ebenfalls an den Stängeln.
Ich sitze auf derselben Veranda und trinke denselben frischen Zitronenmelissen Morgentee, wie im Jahr nach meinem sechzigsten Geburtstag, als ich zum letzten Mal hier war. Die australische Sonne versprüht heute, genau wie damals ihre stechende Wärme. Kein Dunst trübt den Himmel. Stille, einzig von einem Flugzeug und Vogelklängen gestört, breitet sich über das weite Land. Satte Weiden nähren die herumwandernden Schafe, gefrässigen Kängurus und Kaninchen. Alles ist so wie es vor fünf, vor zehn oder noch mehr Jahren war.
Habt Ihr euch auch schon gefragt, wohin unser Orientierungssinn entschwunden ist. Zum Beispiel steht man an einer Kreuzung und möchte zurück zum Hotel gehen. Alles erscheint fremd. Plötzlich fliesst der Singapore River links anstatt rechts, die Hochhäuser stehen südlich dabei sollten sie in nördlicher Richtung liegen. Bin ich nicht dreimal um den Häuserblock gegangen? Oder waren’s doch nur zwei Mal? Früher folgte ich instinktiv meinem inneren Kompass. Ist der Kompass kaputt oder haben sich die Häuser gedreht? Es hat eine Weile gedauert bis ich mir eingestand, dass mich der einst gute Orientierungssinn in den letzten Jahren verlassen hat. So wie der Gehörsinn und meine Sicht, ist ein Teil wohl den Jährchen zum Opfer gefallen. Kann sein, aber viel mehr glaube ich, dass ich verlernt habe, bewusst die Orientierung zu schärfen. Ich wähne mich ja in Sicherheit mit GPS, Google map oder HERE we go (meinem Lieblings-Navigator). Warum soll ich mir Häuserfarben, Strassennamen oder Landmarken einprägen, wenn man mit diesen Geräten jederzeit aus dem Labyrinth findet.
Am Tag zwei starte ich also einfach ins Blaue raus.
Ich will einfach der Nase nach, dem Gefühl vertrauen, der Neugierde Platz geben und dem Abenteuer hinterher jagen. Singapore ist freundlich, sicher und voller neuer Winkel zu entdecken. Also weg von den Hochhäusern hinein ins Chinaviertel. Durch Gässchen, über Passerellen und um tausend Ecken komme ich immer tiefer hinein. Die eins bis zwei Stockwerke hohen, schmalen mit kunterbunten Holzläden versehenen Reihenhäuser haben strasseneben kleine Läden fürs tägliche Leben. In engen Arkaden teilen sich Ware und Fussgänger einen beschatteten Durchgang. Ich schlängle mich durch eine immer grössere Menschenmenge. Wo bin ich, was gibt’s es zu sehen?
Buddha Tooth Relic Temple
Plötzlich stehe ich vor dem grossen, roten Tempel, dessen Fassade mich schon vor fünf Jahren fasziniert hatte. http://www.btrts.org.sg
Buddha Tooth Relic Tempel, der Erzählung nach ist hier der linke Eckzahn von Buddha aufbewahrt, ist ein imposanter, die Sinne berührender Tempel. Räucherstäbchen, Stimmengemurmel, betende und staunende Besucher locken mich hinein. In Gold und Rot gehaltene Räume offenbaren einen Reichtum an Buddha Statuen, Gemälden, Opfergaben und Wertgegenständen. Wie vieles in der Stadt wurde der Tempel erst 2007 mit Hilfe grosszügiger Spenden gebaut. Im grossen Saal halten schwarz und orange gekleidete Mönche und Buddhisten eine Zeremonie ab, der wir Besucher beiwohnen können.
Ich ziehe mich in die oberen Stockwerke zurück. In einer umfangreichen Ausstellung mit kunstvollen Statuen und Gegenständen findet der Besucher auf Bildschirmen viel Wissenswertes über das Leben von Buddha, seinen Geschichten und Taten. Auf der vierten Etage in der Sacred Light Hall befindet sich schliesslich das Herzstück des Tempels, der heilige Zahn.
Die Buddhazahn-Reliquie nistet in einer riesigen und eindrücklichen Stupa, die aus 320 Kilogramm Gold gefertigt ist. 234 Kilogramm wurde von Gläubigen gespendet. Nur Mönche dürfen die Reliquienkammer betreten. Alle anderen müssen von aussen staunen.
Zuoberst betrete ich einen romantischen, stillen Garten, der mir nach so viel prunkvollen Eindrücken hilft, mich zu sammeln und auszuruhen. Und dann geht’s der Nase nach – im wörtlichen Sinn.
Aber davon handelt mein nächster und letzter Bericht aus Singapur.