Unterwegs auf der „Golden Mile“ zu Zeiten des Goldrushes.
Der Victorianische Goldrausch war eine Periode in der Geschichte von Victoria, die von 1851 bis Ende der 1860er-Jahre dauerte. In dieser Zeit war Victoria das Gebiet in der Welt, in dem das meiste Gold gefunden wurde. Melbourne war eine wichtige Boomtown während des Goldrausches. Victoria entwickelte sich von einem reinen Schafzüchterland in ein wachsendes Industrieland mit kleinen Bauernhöfen. Infolge des Goldrausches wuchs die Bevölkerung Victorias sprunghaft an und das Fehlen von Land für Kleinbauern führte zu massiven sozialen Spannungen. (wikipedia)
Die Autoreise von Adelaide über Melbourne (Berichte folgen) nach Gisborne, brachte mich kurz vor Weihnachten zu meiner Schwester, die in die Hügel ausserhalb von Melbourne, Victoria, lebt.
Bundaleer vom Pond aus gesehen
Die Farm meiner Schwester ist eine wilde, dreissig-jährige, leidenschaftliche Geschichte. Hier auf dem weiten Land hat sie ihre Familie grossgezogen. Das massive Bluestone (Basalt) Haus beherbergt heute ein kleines Café, ein Therapiezentrum für Yoga und Massagen und ein Schönheitssalon, den ihre Schwiegertochter betreibt. Verstreut im Park sind noch kleine Cottages, die zum Teil vermietet sind und in einem davon wohnen wir.
Erzählen will ich die Geschichte über meine Zeit hier in Gisborne und vor allem über „mein Australien“. Ich bin so gerne hier, fühle mich so extrem wohl und angekommen. Alles andere scheint weit weg, obwohl ich es nicht missen möchte. Hier ist ein anderes Leben, in dem ich auch zuhause bin. Ist es vielleicht doch so, dass man verschiedene Leben leben könnte? Oft frage ich mich, was aus den anderen Leben geworden ist, für die ich mich nicht entschieden habe? „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier, inspirierte mich vor Jahren zu diesen Gedanken. Er schreibt: „Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?“ Man trifft immer wieder einschneidende Entscheidungen, die nur den einen Weg zulassen. Ist der Weg vorbestimmt, welche Entscheidungen man auch immer trifft? Und als Konsequenz stellt sich die Frage: ist das überhaupt wichtig, wo der Weg bestimmt wird? Australien ist eines der restlichen Leben, das in mir ist.
Am Dam auf der Farm
Meine erste Reise mit meinen Töchtern war 1984 und wir blieben sechs Monate. Während Anna ihr Pfüsi, ein kleines weisses Kätzchen liebte, sass Linda meist mit den Farmern auf den Traktoren. Sie half beim Zusammentreiben der kleinen Schafherde, ging mit ihrem Cousin baden und zum Yabby fischen (kleine Süsswasser-Krebse) in den dams. Bundaleer ist mehr eine Hobbyfarm mit Pferden, Rindern, Hühnern und Enten, Katzen und Hunden und soviel wilde Landschaft mit Hunderten von Kängurus, kreischenden Kakadus, Kookaburra (lachender Hans) und bimmelnden magpies (Elstern). Wer Australien liebt, kennt dieses sanfte Klingeln am Morgen. Die Natur ist satt, extrem, aufregend, gefährlich und immer voller Überraschungen.
Twelve Apostels on Great Ocean Road
Deshalb reise ich immer wieder nach Australien. In den letzten 30 Jahren war ich fast in jedem Winkel des Kontinents unterwegs und habe die grossen Veränderungen miterlebt. Heute heissen die Aborigines,indigineous people, Naturschutz ist zum Thema avanciert, Immigranten Fragen erhitzen die Gemüter und in der australischen Gastronomie hat sich viel Eigenständigkeit und Kreativität entwickelt. Ich war in Alice Springs im Roten Zentrum, wanderte um den Uluru (Ayers Rock), der heute wieder den Ureinwohnern gehört. Wir haben in einer kleinen Gruppe per Jeep die Wüste zu den schwer zugänglichen Kimberleys im Nordwesten und zu den Bungle Bungles durchquert. Vor dreissig Jahren waren wir mitunter die ersten Touristen in diesen einmaligen Gesteinsmassen. Ich habe viele Male unter bespiellos funkelnden Sternen, Planeten und Galaxien geschlafen. Ich schnorchelte im Barrier Reef, verzweifelte in der beklemmenden Feuchtigkeit des Regenwaldes im Daintree Nationalpark, reiste drei Tage und Nächte im Zug von Perth nach Adelaide, habe Tasmanien im Süden gesehen und nachts eierlegende Schildkröten auf Heron Island beobachtet. Auf dieser Reise habe ich ein Auto gemietet und bin von Adelaide nach Melbourne auf der great ocean road unterwegs gewesen.
Die treuen Farmarbeiter Les and John
Das Leben auf der Farm hat sich wenig verändert, die Bäume sind gewachsen, der Park rund ums Haus ist noch gepflegter, voller Blüten, duftender Sträucher und einheimischer Pflanzen. Es grasen weniger Tiere auf den Weiden, meine Schwester hat das Reiten aufgegeben, geblieben sind die wechselnden Hunde und die Sorgen ums Wetter.
Absolute Dürre mit Bedrohungen von Bushfeuern, wechseln sich mit regenreichen Jahren ab. Noch immer beobachte ich die vorbei hüpfenden Kängurus auf den zur Farm gehörenden, paddocks (Weiden für Tiere) und die scheuen Kaninchen, die den saftigen Gemüsegarten bevölkern. Zur Zeit sind die dams (Wasserlöcher) voll. Sie dienen den Tieren und dem Wässern des Gartens. Das unberechenbare Wetter ist eine tägliche Herausforderung hier in Victoria. Die Kälte vom Süden mit arktisch kalten Winden, die durch Mark und Bein gehen, gepaart gleichen Tags mit heissen, gefährlichen Wüstenwinden vom Norden her, charakterisieren das unerbittliche Klima. Ein tägliches Temperaturwechselbad, an das man sich mit Socken und Schals, T-Shirts und Sonnenhut besser gewöhnen sollte.
Das Cottage meiner Schwester
Gisborne ist ein Dorf auf dem Land, eine Autostunde entfernt von Melbourne und liegt in den Hügeln. Früher wohnten mehrheitlich Farmer hier. Die Veränderung kam mit dem freeway, der nun nach Gisborne führt und somit sind die Quartiere mit Pendlern gewaltig gewachsen. Wo früher Bush war, stehen heute viele prachtvolle Einfamilienhäuser mit Range Rover, Mercedes und Jeeps vor dem Haus. Die Grundstücke sind gross, die meist einstöckigen Häuser umrandet von einladenden Veranden, strahlen ländliche Gemütlichkeit aus. Die kleineren Cottages sind einfacher gebaut, aussen mit farbig bemalten weather boards (Holzbrettern), die Kamine aus Ziegelsteinen, die Dächer aus Wellblech von denen sich bestens das Regenwasser in Wassertanks als Trinkwasser sammeln lässt. Sie sind schlecht isoliert und nicht unterkellert. Socken und Bettflasche nicht vergessen. In den Städten hat sich eine neue Architektur entwickelt mit traditionellen australischen Merkmalen.
Der kleinste Kontinent ist auch in seiner Geschichte von gewaltigen Gegensätzen geprägt. Er war bereits vor 40’000 bewohnt, aber erst seit 250 Jahren von Weissen entdeckt und kolonialisiert. 1901 erst wurde das erste Parlament Australiens gegründet. In diesem Licht habe ich in dreissig Jahren „unterwegs“ Erfahrung, eine sehr lange und wichtige Zeitspanne erlebt.
Das ist die nicht nur traurige Geschichte von den gejagten Schafen. Und so fing alles an.
„Morgen ist ein neuer Tag“ sagen wir, wenn alles schief gelaufen ist. Könnte man den heutigen Tag in Untertage, wie Untergruppen teilen, so würde ich jetzt einen neuen Tag anfangen. Alles nochmals von Neuem beginnen. Frühstück zubereiten, Cappuccino trinken, Feuer entfachen, Hunde füttern und so tun, als ob es den Tag davor gar nicht gegeben hätte. Nicht ich bin mit dem linken Bein aufgestanden, es war der Tag, der alles in sich barg, wofür man ihn zum Vergessen möchte.
Morgens aus meinem Fenster
Beim ersten Tageslicht schaute ich aus dem Fenster, um den Tag freudig zu begrüssen. Wie jeden Morgen blickte ich neugierig über die paddocks (Weiden). Was ich sah, gefiel mir nicht. Ganz nahe beim Wassertrog der Schafweide vor meinem Zimmer lag ein totes Schaf. Es war nicht das erste in den letzten Wochen. Gehäuft hatten sie in den vergangen Tagen tot auf der Weide gelegen, was wir auf eine Wurmerkrankung mit Durchfall zurückführten. Diese Sorge begleitete uns seit Weihnachten. Dreihundert Mutterschafe mit ihren Jungen grasen täglich genüsslich auf den noch saftigen Wiesen und mittendrin stolziert ein Lama. Ein Lama kann man aber nicht essen, werdet ihr sagen. Aber ein Lama in der Herde hält den gierigen Fuchs auf Distanz, habe ich mir erklären lassen.
Noch herrschte Frieden
Heute morgen also schaue ich genauer aus dem Fenster, bemerke die verängstige Herde im Laufschritt am Cottage vorbeirennen. Ich frage mich wohin? Sie rennen in eine Ecke mit geschlossenen Gattern. Kaum drehe mich um, sehe ich zwei grosse wunderschöne zottelige Schäferhunde die Schafe treiben. Barbara, meine Schwester hat bereits das Haus verlassen, so dass ich sie nicht fragen kann, ob die Hunde dem Besitzer der Herde gehören, und er die Tiere zur Entwurmung zusammentreiben soll. Ich bezweifle jedoch diese Theorie, denn weit und breit sehe ich kein Auto und keine dazugehörenden Menschen. Panik herrscht in der Herde, die Lämmer werden zum Teil von den Müttern getrennt, das kleine Hunderudel stürmt dazwischen und jagt die verängstigten Tiere umher. Plötzlich stürzt das dunkelbraune, grosse Lama. Ich renne hinaus und schreie die Hunde an. Sie verlassen das Grundstück und allmählich kehrt Ruhe ein.
Blitzartig ist mir die Ursache der toten Schafe bewusst. Wildernde Hunde haben sie gemetzelt. Während ich mit Schrecken an das Lama und die leidenden Tiere denke, sehe ich von weither erneut das Hundepack. Was tun? Barbara ist nicht erreichbar, die Gärtner, erfahrene Farmer, die zum Glück jeden Mittwoch frühmorgens kommen, treffen erst in einer Viertelstunde ein und so versuche ich die Herde zu bewachen. Aus der Küche hole ich zwei Pfannendeckel und warte bis die Hunde sich wieder nähern. Ich lärme und schreie die Viecher an. Wieder kann ich sie vertreiben. Aber leider erst nachdem sie erfolgreich ein Lämpchen eingekreist, gebissen und geschüttelt haben. Ehrlich gesagt, in diesem Moment, hätte ich ein Gewehr gehabt und auch schiessen können, hätte ich die Hunde erschossen. Zumindest hatten meine Pfannendeckel und mein Geschrei für eine kurze Weile für Beruhigung gesorgt. Nicht nur die Hunde sind erschrocken, sondern auch die bereits eingeschüchterten Schafe.
Die herumliegenden toten und verletzten Schafe auf der Weide waren ein trauriger Anblick. Ich wachte und wartete auf Verstärkung, die mit John und seinen Männern schon bald kam. Er schaute sich alles an, ging über die Wiesen zum grossen Zaun hinunter und entdeckte die lauernden Hunde, die im unteren Teil des Feldes weitere vier Lämmer und zwei Mutterschafe gerissen hatten. Er nahm seine Waffe, erschoss den ersten Hund und rief den Ranger an, der kurz darauf zur Stelle war.
Es sind Schafe, deren Fell von allein abfällt
Nachdem John übernommen hatte, machte ich mich auf den Weg ins Dorf, um den Znüni für die Männer zu holen. Heute musste ich den halbstündigen Marsch zu Fuss machen, da letzte Woche beide Autos kaputt gegangen waren. Schon bald nach dem Verlassen des Hauses fiel ich in einen leichten Jogging Rhythmus. Die erlösenden und erholsamen Bewegungen trieben den morgendlichen Stress aus meinem Körper. Nach einer Weile verlangsamte ich und genoss den Moment über das Erlebte nachdenken zu können. Als ich eine Stunde später wieder auf der Farm eintraf, herrschte noch immer grosse Aufregung, denn nun war auch der zweite Hund und deren Eigentümer ausfindig gemacht worden. Glücklicherweise trug der erschossene Hund ein Halsband, welches ihm John als Beweisstück abgenommen hatte. Der Ranger kümmerte sich um das Formelle, übernahm die unangenehme Aufgabe die Besitzer der Hunde zu kontaktieren.
Ein paar Tage später
Der grössere Hund war nach der Erschiessung seines Kumpels nach Hause zurückgekehrt. Auf Anraten des Rangers, der von noch viel mehr gerissenen Schafen in der nahen Gegend erzählte, willigte die Besitzerin ein, den zweiten Hund einschläfern zu lassen. Hat ein solches Tier Blut geleckt, wird ihn niemand davon abhalten können, es immer wieder zu tun. Hier in Australien sind wildernde Hunderudel leider ein häufiges Problem. Das Tragische an unserer Geschichte war, dass beide Hunde in Obhut der Schwiegermutter waren, während die eigentlichen Besitzer in den Ferien weilten. Sie hatte sie im Haus nicht unter Kontrolle und deren nächtliches Verschwinden nicht gemeldet. Dennoch können Barbara und ich mit den Eigentümern mitfühlen, die bei ihrer Heimkehr erstmals den Verlust gleich beider Hunde erfahren müssen.
Natur ist Natur mit allem Schönem und Grausamen. Hunde sind Jagdtiere und folgen ihren Instinkten. Fressen und Gefressen werden sind Teil unseres Lebens. So hat uns das Gemetzel auch ein unheimlich eindrückliches Erlebnis beschert.
Wedge-tailed eagle
Als wir gestern vom Dorf heimkehrten, bemerkte ich mitten auf der Weide zwei ungewöhnlich grosse Vögel. Einer sass einer Statue ähnlich auf einem Zaunpfosten und der andere schien am Boden auf etwas einzuschlagen. Kein Zweifel, er sass auf einem toten Lamm und schnitt sich Fleischstücke aus dessen Flanken. Ein grausames, aber auch faszinierendes Schauspiel. Während wir uns leise heranschlichen, konnten wir diesem Furcht einflössenden, kräftigen Vogel bei seiner Mahlzeit zuschauen. Seine gefährlichen Klauen an lustig gefiederten Beinen, krallten sich kraftvoll ins Fleisch, dabei schlug sein scharfer Hackenschnabel ins Fleisch und riss daran, bis einiges davon loskam. Aufgeschreckt durch unser Heranschleichen, erhob er sich in die Luft, noch immer festhaltend an seinem Stück Fleisch. Dabei schlug er mit seinen gewaltigen Schwingen, so dass wir beinahe den Wind spüren konnten. Schnell war er hoch geflogen. Erst da konnten wir die wunderbaren braunen Farbentöne seines Gefieders bewundern, seinen keilförmigen Schwanz betrachten und natürlich ihn auf seinem Flug verfolgen. Der andere, etwas kleinere Vogel blieb noch sitzen. Auch er wollte sich holen, was ihm gebührte. Einzig die menschlichen Geräusche hinderten ihn und so flog auch er davon.
Welch prachtvolle, majestätische Raubvögel waren zu diesem Kaisermahl herbeigelockt worden. Das Schaf war zur Nahrung geworden und hatte uns einen selten nahen Blick auf zwei Wedge Tailed Eagles, wedgies genannt, erlaubt. Ein unvergessliches Geschenk.
Die Hitzewelle ist überstanden. Innert Stunden stürzte die Temperatur um 25 Grad und kühle Luft strömte vom Süden her.
So auch im Norden des Staates Victoria, dort wo die Blitze unendlich viele wütende Feuer angesteckt hatten, die grosse Teile des Grampians Nationalparks verbrannt haben. Die Feuer rund um die Farm hatten sich in diesen Rekord-Hitzetagen auf 10 km genähert. Wie durch Zauberhand, hatten jedoch die Blitze in jener Gewitternacht keine verheerendenFeuer entfacht. Der Sommer hat erst begonnen.
Seit Tagen steigt das Thermometer. Eine Hitzewelle ist angesagt und wir stecken mittendrin.
Noch vor einer Woche blies der Wind vom Südpol kühl über die Hügel und Felder. Die Morgen waren bitter kalt, die Tage angenehm. Die Sonne schien, der Himmel war blau und klar. Die Weiden waren längst von den Schafen abgegrast und dürr getrocknet von Wind und Sonne.
Und dann drehte der Wind. Er kam vom Norden her. Von der endlosen australischen Wüste. Er strömte unheilvolle, erbarmungslose, heisse Luft herbei und verwandelte die einst so saftigen Wiesen in goldgelben Zunder.
Die Medien sind voll guter Ratschläge. Das magische Wort ist „total fire ban“. Es dürfen keine Feuer entfacht werden und dennoch verursachen Feuerteufel, genannt „firebugs“(Käfer), willentlich die verheerendsten Waldbrände oder unachtsame Autofahrer entsorgen ihre Zigarettenstummel aus dem Fahrzeug. Nächtliche Blitze schlagen in dürre Bäume ein und starten ein Feuer. Brennende Eukalyptusbäume entwickeln durch ihre ätherischen Öle Feuerbälle, die mehrere Meter weit durch die Gegend geschleudert werden, um auf fernen Feldern, auf Häuser oder in Wäldern zu explodieren. So entstehen die grössten Feuer. Stürme, die von der Wüste her über die Landschaft fegen und die Feuerwände vorantreiben, verschärfen die ganze zerstörerische Kraft.
Auf der Farm meiner Schwester, wo ich zurzeit bin, sind wir vorbereitet. Rund um die Häuser, Scheunen und den Zäunen entlang wurden schon vor Wochen Schneisen gemäht, die Wassertanks sind gefüllt, der Generator, der die Wasserpumpe antreibt, wurde bereitgestellt und mit Benzin gefüllt. Täglich haben wir den Rasen rund ums Haus gewässert, um etwas Feuchtigkeit in der Erde zu behalten. Die Schafe und Pferde haben Zugang zu den Dams (Wasserlöcher) auf den Weiden und die Hühner sind gut versorgt.
Als wir gestern Abend in nachlassender Hitze zu dritt genüsslich auf der Terrasse assen und in die kühlende Landschaft blickten, bemerkten wir eine ungewöhnliche, absolute Stille. Wo ansonsten beim Eindunkeln hunderte von Vögeln ihren Abendgesang erklingen lassen, herrschte mystische Geräuschlosigkeit, als ob ein Schalter umgekippt worden wäre. Sogar das erfrischende Lüftchen war abgestellt worden. Kein Blatt bewegte sich, kein Schaf blökte, kein Kakadu schrie durch die Dämmerung. Es war das gespenstige Nichts vor dem Knall. Die Ruhe vor dem Sturm. In der Ferne zogen Gewitter durch, schwarze Wolken verdunkelten den Himmel, während wir uns langsam für die Nacht vorbereiteten.
Ich lag lesend im Bett, als eine gewaltige Explosion alles in Schwarz hüllte. Aus dem Nichts schlug der Blitz unweit des Hauses in einen Strommasten, was die Glühbirnen platzen liess. (ob dem so ist, werden wir allerdings erst später erfahren). Wir versammelten uns in der Küche, scannten die Landschaft, um mögliche Feuer zu sehen. Es herrschte Stille, ein weitentfernter Donner grummelte durch die Nacht. „Was war das?“, fragten wir uns entsetzt. Noch immer hämmerten unsere Herzen. Wir waren sehr erschrocken. Kaum hatten wir uns in der Dunkelheit zurechtgefunden, knallte es in erneut unerwarteter Lautstärke durchs Cottage. Erstaunlich deshalb, weil das nahende Gewitter noch in weiter Ferne war. Aber es kam, mit viel Regen, Wind und normalem Blitz und Donner. Nichts konnte uns mehr erschüttern, denn Strom hatten wir bereits keinen mehr, Feuer war keins entfacht worden, die Hunde hatten sich beruhigt und wir genossen einen mitternächtlichen Cognac am kerzenbeleuchteten Tisch.
Und heute warten wir auf Strom und somit auch aufs Wasser. Angesichts der vielen Feuer, die nun in Victoria brennen, ist unser Problem ein kleines. Die Temperaturen steigen auf Mitte vierzig Grad und erst am Samstag wird Kühlung erwartet. Damit kommt allerdings die am gefürchtetsten Situation, denn der Wetterwechsel kommt mit orkanartigen Winden, die den Teufelkreis des Feuers ausmacht.
Der Tag heute begann sehr typisch für meine Erfahrungen. Wer mich kennt, der weiß, dass der richtige Kaffee am Morgen, meinen Tag erst ins Rollen bringt. Ist der Kaffee schlecht, muss der Tag sich doppelt anstrengen, um noch als erfolgreicher Tag eingereiht zu werden.
Der heutige Tag begann schlecht. In Mount Gambier, eigentlich bis anhin mein Lieblingsort, gab es keine Auswahl an geöffneten Cafés und das Gebotene ließ sich nicht trinken. Der Tag hatte mich auf dem linken Fuß erwischt. Was eigentlich meinem aktuellen körperlichen Zustand genau entsprach. Mein linkes Bein, und wie ihr wisst, mein ziemlich ramponiertes Bein leidet seit der unverhofft anstrengenden Wanderung vor drei Tagen noch immer unter leicht qualvollem Muskelkater. Trotz dickem Gummistrumpf scheinen, den Schmerzen nach zu deuten, die Muskeln noch immer aktiv. Nun ohne trinkbaren Kaffee ist nichts gut.
Bitte nehmt mein Gejammer nicht zu ernst, denn die Café Suche ist auch ein täglicher Spass.
Abends suche ich mir dann entsprechend etwas Anständiges zu Essen. In meinem Fall ist Australien nicht immer einfach, obwohl ich weder Veganer noch Vegetarierin bin, keine Allergien habe und in der Schweiz als Allesfresser gelte. Ich mag kein Frittiertes, nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern ich mag es nicht und es macht mich nicht glücklich. So spaziere ich hier abends durch die Main Streets der Ortschaften, lasse mir in den Hotels, Restaurants empfehlen. Heute ist es diese Geschichte wert. Toll und überraschend.
Pickels Pig heißt es. Es ist sympathisch, gepflegt eingerichtet und sehr freundlich. Auch wenn ich allein reise, werde ich immer zuvorkommend bedient und platziert, was bei uns leider noch immer nicht selbstverständlich ist. Im „Pickeld pig“ bestelle ich natürlich pork, die Spezialität. Was dann kommt, überrascht mich total. Pork belly, sehr knusprig angebratener Schweinsmagen mit Apfel-Specksalat mit einem aromatischen Jus. Wunderbar. Der Tag ist gerettet, dank Schweinsschwarte und einen Sauvignon Cabernet aus dem Coonawarra Valley, dem Weinanbaugebiet, durch das ich gereist war.
Wie heisst das Sprichwort? Man soll den Morgen nicht vor dem Abend loben oder in meinem Fall wohl umgekehrt.
Der Wein ist ausgetrunken, das Essen verspeist, nun freue ich mich auf mein Bett.