Allzu grell wirft der Mond sein Licht durch das gekippte Schlafzimmerfenster auf meine rosa Leinen Bettdecke. Schattenspiele ergiessen sich über Wände und Teppich. Sie dringen ein in meine Träume, rütteln mich wach, obwohl ich doch noch schlafen will. Es gibt Nächte, da gibt man lieber nach, anstatt sich zu wälzen und quälen. Jetzt bin ich wach, sitze aufrecht im Bett, trinke Tee und begebe mich gedanklich nach Italien. Bella Italia.
Es könnte Salzwasser sein, das in kleinen Wellen über meine Füsse spritzt. Fischer Böotchen tanzen im kleinen Hafenbecken. Farbsplitter aus zahlreichen Aperol Sprizz Gläsern leuchten wie Lampions im Abendlicht. Es könnte ein pittoresker Hafen an der Adria sein.
Noch ein Häkchen auf meiner Bucketliste. Es ist früher Sonntagmorgen mit grellem Sonnenlicht. Die steife Bise, der Borawind lässt mich Doppelschicht mit Kapuze tragen.
Zweifelsohne, Venedig ist wunderschön, spannend, hinreissend, einmalig und beim Thema Kreuzfahrtschiffe äusserst kontrovers. Zeichnerisch dieser Stadt zu begegnen, meine neue Herausforderung. Ich wollte endlich mal besser zeichnen lernen, mich mit Perspektiven und Wasserfarbe auseinander setzen. So habe ich einen „Urban sketching„ (städtisches Zeichnen) Kurs in Venedig gebucht.
Und das ist mein Fazit nach den ersten zwei Tagen. Zuviel Linien an Häusern, Gassen, Fenstern, Giebeln und dann all die Pflöcke, Pfosten, Kamine, Pflastersteine, Fahnenstangen.
Dazu gesellen sich schräge, waagrechte, senkrechte, geschweifte und abgerundete Striche. Alle diese Begrenzungen enden in Unendlichkeitspunkten, die sich wild in den zu engen Gassen zwischen Quadersteinen, abgebröckeltem Verputz und von erschütterten Mauern kreuzen und überkreuzen.
Das alles sollte ich mit Bleistift zu Papier bringen? Welchen Bleistift denn nehme ich, frage ich mich. Denn spannend sollte die Szene ja auch noch sein, sowie Schatten und weiße Felder klar abgrenzen. Das Ganze natürlich in der Perspektive und darob nicht zu vergessen, den Rahmen zu setzen oder gar zu verschieben.
Es folgen die Farben, die ich auf diesem kleinen Palettchen mixen sollte, gemischt aus drei klaren Tönen. Nota bene, mache ich das so auch zum ersten Mal.
Fast hätte ich die Motivsuche vergessen. Venedig ist schön, spannend, wunderbar farbig im hellen Sonnenlicht. Aber wo anfangen? Ich bin überfordert. Klar auch enttäuscht über mich selber. Wer hängt schon gerne hinten nach?
Ich habe meine Aufgabe nicht erfüllt heute Nachmittag. Leistungs-und Zeitdruck und vor allem habe ich es so von mir nicht erwartet.
Nun muss ich zurück zur Gruppe mit wiederentdeckt Seiten. Ich bin traurig. Apero Spritz, wunderbar orange, hilft, aber ich habe trotzdem nichts.
Betonen möchte ich, dass es nicht an der äusserst kompetenten und engagierten Dozentin, noch am idealen Hotel oder an den Kollegen liegt. Ich muss mich einfach etwas in Geduld und Demut üben.